Eine Freundin

Ich habe eine Freundin, deren Leben erscheint von außen fortschrittlich, emanzipiert und perfekt: Kinder, Vollzeitjob, Mann und getrennte Konten. Wenn sie einen Blick hinter die Kulissen zulässt, wird jedoch schnell klar, sie arbeitet sich zu Hause einen Wolf, musste ihre Karriere den Ambitionen ihres Mannes opfern und ist emotional zu abhängig, um die Ausbeutung in zwei Vollzeitjobs zu beenden. Und natürlich ist das alles viel komplizierter. Vielleicht ist es keine böse Absicht ihres Mannes, wenn er am Wochenende maximal die Füße hebt, damit sie darunter Staubsaugen kann. Vielleicht merkt er nicht, wie sie immer weniger und er immer mehr wird. Vielleicht ist es ihm egal. Vielleicht sieht er nur seine Bedürfnisse oder er ist einfach nur blind für die ihrigen. Was soll ich dieser Freundin sagen, die vor 20 Uhr keine Minute am Stück sitzt, die vorm Frühstück schon die erste Waschmaschine ausräumt und danach Wäsche legt, die staubsaugt, wischt, die Bäder und Klos putzt, abwäscht, den Geschirrspüler ein- und ausräumt, Staub wischt, das Kinderzimmer aufräumt, die Kühlschränke säubert, einkaufen geht, die Kinder wickelt, wäscht und badet, den Hund spazieren führt, die Katzenklos säubert, die Vesperboxen auffüllt und ganz nebenbei noch erwerbstätig ist…?

Ich rate ihr, dass sie was ändern muss. Er muss mehr Aufgaben übernehmen und wenn nicht, bleiben die Dinge einfach unerledigt. Da lacht sie nur. Doppelte Bestrafung wäre das für sie. Dann müsste sie in einem dreckigen Loch hocken und am Schluss mit dreifachen Aufwand doch alles selber machen. Mal hat sie versucht, mittels gewaltfreier Kommunikation um Mithilfe zu bitten. Denn, sagt sie es mit all der angestauten Wut im Bauch, kommt es zum Streit. (K)Eine andere Option wäre, den Job an den Nagel zu hängen. Was ist schlimmer, seinen Mann um Geld zu bitten oder um Hilfe im Haushalt? Dann lieber eigenes Geld und zumindest die Vorstellung, eine Reinigungskraft einzustellen…oder einfach zu gehen.

Und dann überlegen wir -so wie Frauen wahrscheinlich einfach sind- warum macht er das? Warum ist er so? Dass er sie nicht liebt, dachte sie mal, und wollte sich trennen. Da hat er gekämpft und wollte sich ändern. Von der Veränderung ist heute nicht mehr viel übrig. Sie ist überzeugt, er hat Depressionen. Verbringt deshalb das ganze Wochenende, die Abende auf der Couch vorm Fernseher, fühlt sich oft schlecht, hat Kopfschmerzen, vernachlässigt sich und andere, bringt oft kein nettes Wort über die Lippen. Vor vielen Jahren kam er mal mit einem Buch nach Hause. Das hieß „Der große schwarze Hund“. Sie schöpfte Hoffnung, er hätte das Problem erkannt und würde sich Hilfe holen. Sie fragte, woher er das hätte. Er meinte, dass hätte ihm der Fabian (Name geändert), eine Kollege, auf den Schreibtisch gelegt. Wahrscheinlich hat er Depressionen, meinte er…

 

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