Event-Birthing

Zu meinem Erstaunen hat sich der Geburtsvorbereitungskurs für mich zum wöchentlichen Krampf entwickelt, der mir mindestens 24 Stunden schlechte Laune beschert. Was die Theorie um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett betrifft, ist es zwar für Leute ohne fachlichen Hintergrund wirklich hilfreich, für mich führt es jedoch eher zu Langeweile und Gähnattacken, wenn an der Schwimmhaut zwischen Daumen und Zeigefinger der dehnende Nutzen einer Dammmassage demonstriert wird. Nun wäre das für mich durchaus hinnehmbar, schließlich gibt es noch andere Aspekte, wie die bereits erwähnten ungewollt humoristischen Einlagen aller Teilnehmer, mich inkludiert. Doch so langsam bekomme ich dieses Gefühl vom Elternsein in der Neuzeit, vor dem es mir seit dem Erstkontakt zu solchen graut. Wenn ich in Familienforen gelesen oder gewordene Eltern in meinem Umfeld beobachtet habe, schwante es mir schon unheilvoll, dass dieses „Elternsein“ einer Religion mit sektenhaften Strukturen gleichkommt. Jeder, der es wagt, eine von den „Eltern“ anerkannte Vorgehensweise durch Wahl einer Alternative in Frage zu stellen, wird erst freundlich zum Ablegen von Rechenschaft gezwungen, um dem Abweichler anschließend mit der Vorschlagskeule auf den rechten Weg zurückzubringen.

Und dieser penetrante Eltern-Druck macht sich bereits in der Schwangerschaft breit und kein besserer Ort bietet ihm soviel Nährboden, wie ein Geburtsvorbereitungskurs. Neben allerlei Fakten zur Beckenanatomie und Atemübungen bietet so ein Kurs nämlich auch jede Menge Raum und Zeit für Palaver. Dort wird dann deutlich, wie festgefahren und planvoll strukturiert sich die Teilnehmer ihre lebenslängliche Elternzeit vorstellen. Schwangerschaft und Geburt sind ein Happening zu dem massighaft Extras hinzugebucht werden können. Yoga, Bauchtanz, Großelternkurse, Ultraschallflatrates in der Schwangerschaft. Die Geburt soll dann „schön“ werden. Heimelich, mit plätschernder Musik untermalt, einem Orgasmus gleich. Für mich ist eine „schöne Geburt“ ein Oxymoron. Da werden mir womöglich Schmerzen begegnen, die ich so noch nie erfahren habe. Auf jeden Fall glaube ich daran, dass eine Entbindung eine Frau stolz machen kann, sie mit Glücksgefühlen oder einfach Erleichterung überschüttet wird. Es kann jedoch auch sein, dass sich danach Erschöpfung, vielleicht auch ein wenig Gleichgültigkeit aus der Überwältigung heraus einstellt. Für mich ist es das erste Kind und es fällt mir wirklich verdammt schwer, eine Vorstellung zu entwickeln, wie Geburt und Wochenbett bei mir ablaufen werden. Sich Gedanken über den für sich passenden Ort der Geburt zu machen, halte ich für wichtig. Doch mindestens genauso wichtig ist es, sich im Hinterkopf immer mit einem Plan B anzufreunden. Es ist super, wenn man sich Hebamme Susi für seine Geburt ausgesucht hat. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass auch die fleißigste Hebamme an diesem Tag frei haben könnte. Auch die Möglichkeit ins Geburtshaus zu gehen, finde ich klasse. Es kann aber auch passieren, dass man die Entbindung in einer großen Klinik zu ende bringen muss. Damit das nicht zum lebensbegleitenden Trauma wird, würde ich mir von unserem Kurs wünschen, mehr Realismus zu verbreiten. Stattdessen wird so eine anheimelnde Atmosphäre geschaffen, in der jeder Gedanke an Komplikationen durch „wir müssen nur positiv denken wollen“ abgewürgt wird. Damit wird in meiner Wahrnehmung vermittelt, wer seine gesetzten Ziele, außerhalb der Klinik zu entbinden, zu stillen, eine entspannte Mutter zu sein, nicht erfüllen kann, der ist am Schluss auch noch selbst dran Schuld, weil er zu verkrampft, zu ängstlich war, falsch gedacht hat oder einfach nicht richtig wollte.

Statt sich von den „Eltern“ verunsichern zu lassen, wie Elternsein zu sein hat, werde ich wohl meine Eltern anrufen, wenn mir im Wochenbett die Nippel brennen, mich mein Damm plagt und ich einfach nicht mehr wollen will.

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