Neben Fruchtbarkeitsbehandlung und ersten Wochen Schwanger sein, habe ich ganz nebenbei mein Studium abgeschlossen. Nun stehe ich da, kurz vorm Berufseinstieg und bin schwanger. Eigentlich ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt und es scheint wieder einmal bewiesen, dass sich (drohende) Arbeitslosigkeit günstig auf die Fruchtbarkeit auszuwirken scheint. Ab Januar sind wir dann beide -auch mein Mann, ohne Job. Jetzt sitze ich über einem Stapel Jobanzeigen, wenn man das bei drei in Frage kommenden Stellen überhaupt so nennen kann, und hoffe, noch vorm Herausploppen meines Bauches eine Einladung zum Vorstellungsgespräch zu bekommen. Und ich frage mich ernsthaft, ob es moralisch verwerflich ist, sich in meinem Zuuuuuustand zu bewerben. Denn eins ist klar, mit der Tatsache schwanger zu sein , werde ich ganz sicher nicht hausieren gehen. Kein Arbeitgeber der Welt würde mich dann gegen Vertrag und Entgelt beschäftigen. Um den Gewissenskonflikt so klein wie möglich zu halten, werde ich mich bei Firmen bewerben, die in ihrer Unternehmenskultur vorrangig auf Ausbeutung setzen. Wer seine Mitarbeiter eh im 6-Monate-Intervall kündigt, um sie für miesere Konditionen erneut einzustellen, dem kann frau auch getrost ihre Schwangerschaft verheimlichen. Bei der späteren Beichte meiner anderen Umstände wird es sich ganz gut machen, von einem lange Zeit unbemerkten Unfall zu sprechen: „Auf der Suche nach einer Toilette habe ich mich in die Kinderwunschklinik verlaufen. Plötzlich bin ich gestolpert und auf einer gefüllten Inseminationsspritze gelandet.“ Das leugnen des Kinderwunsches und heraufbeschwören eines Unfalls hat sich schon seit Jahrhunderten als gesellschaftlich anerkannte Version des Schwangerwerdens durchgesetzt. Wenn man all diesen Geschichten Glauben schenkt, sind 99% aller Erdenbürger ein Versehen und der Pearl-Index von Gummi, Pille und Co müsste bei 100 liegen. Es wäre schön wenn wir Frauen (und auch Männer) endlich sagen dürften: „Dieses Kind ist sowas von gewollt und ich scheiß drauf, wie gut oder schlecht der Zeitpunkt für meine Karriere gerade ist!“
Ergänzend muss ich noch hinzufügen, dass es für die meisten Menschen „DIE Karriere“ gar nicht gibt. Der SPON und all die anderen Käse-Blätter, die uns Einzelschicksale als allgemeingültige Realität verkaufen wollen, reden immer nur von „Kind oder Karriere“. Für Viele sollte es besser heißen: „Kind und Broterwerb“. Ich persönlich wäre froh, nach fünf Jahren Studium mit Masterabschluss einfach eine nette Anstellung zu finden, die genug abwirft, dass eine kaputte Waschmaschine keinen finanziellen Ruin bedeutet. Um Spaß oder Verwirklichung geht es dabei schon lange nicht mehr. Dafür gibt es das Wochenende.
Daher lautet meine Devise: Leute, bekommt Kinder, solange eure Gonaden noch im Saft stehen, eure Bandscheibe es zulässt euch zu bücken, eure Knie eine Stunde im Sandkasten aushalten und ihr im Osten Deutschlands noch nicht mit Oma/Opa angesprochen werdet.
Ich musste gerade fast laut loslachen 😉
Liebe Grüße von einem Frauenpaar, das mitten im Studium mit 23 und 24 Jahren gerade das 1. Kind erwartet – weitere werden vor dem Abschluss folgen. Und nach dem Abschluss dann eine Halbtagsstelle mit max. 30 Stunden pro Woche für jeden von uns 😉 Mit Oma und Omi werden wir hoffentlich in unserem Alter noch nicht angesprochen! Zum Glück weiß bei uns JEDER, dass die Kinder absolut erwünscht sind. Hätte ich auch nicht verheimlichen wollen.