Blanke Nerven

Wenn mich die Schwangerschaftshormone nicht leicht sedieren würden, wäre ich wahrscheinlich am Durchdrehen. Dank der Sorge um das Überraschungsei, unterteile ich jetzt allerdings meine Probleme in „Luxus“ und „ernsthaft“ und irgendwas dazwischen. Zu den Luxusproblemen gehört definitiv unser immernoch nicht bezugsfertiges Heim, das damit einhergehende Wohnen im Hotel Mama und die ganzen Unannehmlichkeiten, die damit verbunden sind.

Richtig nervend und kräftezehrend sind derzeit meine Nächte. Missjö schläft seit vier Wochen immer schlechter. Wenn’s ganz arg kommt, bekommt er zwei bis drei Schreiattacken pro Nacht, in denen er untröstlich ist. Er stößt mich von sich, möchte nichts trinken, nicht auf meinem Bauch schlafen. Mit Glück schläft er nach 5 bis 10 Minuten wieder von alleine ein. Läuft es ganz dumm, schreit er sich in Rage und muss mit extremen Reizen wie Licht und Hochnehmen, Rumtragen und Erzählen abgelenkt werden. Kein Dauerzustand bei Vollzeitjob und mehr als vier Stunden Autofahrt pro Tag. Dann wird Übermüdung echt lebensgefährlich. Und der Alltag als Zombie wird auch nicht einfacher.

Tagsüber ist dann das kleene Froillein anstrengend. Sie ist nun in den Hort gekommen, hat ihre erste Zahnlücke und muss sich nun in einen komplett neuen Lebensabschnitt einordnen. Sie ist der Meinung, zu wenig Freunde zu haben und kann den ganzen Tag darüber lamentieren. Außerdem testet sie immer wieder ihre Grenzen aus. Fordert mein Vater sie auf, ihren Müll in die Tonne zu werfen, antwortet sie: „Ich bin doch nicht dein Diener“. Um Zähneputzen, Haarekämmen, Nägelschneiden und Duschen gibt es jedes mal Diskussionen. Einfach aus Prinzip. Außerdem hat sie sich angewöhnt, neu erworbene Sprüche in Dauerschleife zu wiederholen, bis uns allen die Ohren bluten. Das muss das Erbe ihres Onkels sein. Ich kann mich noch erinnern, wie mein Bruder uns wochenlang mit den Wörtern „Schleeeeeeim“ und „Popprieeeetz“ mürbe gemacht hat.

Es sind nur noch wenige Wochen bis zum Schulbeginn und dank Corona weiß ich weder, wer die Klassenlehrerin sein wird, noch mit wem sie in eine „Lerngruppe“ gehen wird. Die 38 Schüler werden nämlich in eine Klasse gesteckt und dann in zwei „Lerngruppen“ unterteilt und unterrichtet. Wie das ganze genau aussehen wird, wurde uns Eltern bisher nicht mitgeteilt. Eine Schuleinführungsfeier, wie sie hier üblich ist, wird es auch nicht geben.

Und bevor ich mich weiter darüber aufrege, denke ich lieber (oder lieber nicht) an meine essentiellen Probleme. Die Angst um das Überraschungsei ist nach wie vor vordergründig und sicher nicht ganz unbegründet. Mein Vorsorgetermin vergangene Woche bei meinem ausgeurlaubten Gyn förderte auch keine neuen Erkenntnisse zu Tage. Im Ultrschall war alles unauffällig. Allerdings wollte er mich nicht vordatieren. Seiner Meinung nach sei der frühe Messwert genauer und somit entscheidend. Außerdem brächte eine Umdatierung eventuell mehr Schwankungen mit sich, die eine Beurteilung der zeitgerechten Entwicklung erschwerten. Aus Jux hat er dann den Brustumfang gemessen und kam auf 14+1 und anschließend den Kopfumfang, bei dem er auf seine berechnete Woche 13+2 kam. Ich denke, ihn hat das nicht weiter beunruhigt…aber mich hat die Abweichung zwischen Kopf- und Brustumfang schon wieder in Panik versetzt.

Sein Plan war nun, ich solle mich bei der Leipziger Pränatal-Koryphäe für eine frühe Feindiagnostik melden. Dort habe ich aber keinen Termin mehr bekommen. Also fragte ich in der Uni nach. Dort sieht man wohl keinen Sinn in einer frühen Feindiagnostik. Stattdessen soll ich zur Blutentnahme kommen, um meinen Antikörper-Status erneut zu überprüfen. Ein bisschen habe ich die Befürchtung, dass ich dort nur noch nervöser gemacht werde.

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