Das Schreikind wird Schulkind

Es ist doch endlich an der Zeit, etwas über die Entwicklungen unseres kleenen Froilleins zu schreiben. Vor zwei Wochen ist sie sechs Jahre alt geworden und obwohl noch kein einziger Wackelzahn vorhanden ist, hat sie sich in den letzten Wochen stark zum großen Schulkind entwickelt.

Ihr fünftes Lebensjahr habe ich als ziemlich anstrengend empfunden. Auch von Seiten der Kita wurde mir bestätigt, dass Madame einige Veränderungen durchmacht. Sie wurde zunehmend bockig, verweigerte Angebote und geriet immer öfter mit den Erzieherinnen  aneinander. Zu Hause erging es uns ähnlich. Situationen, die ohnehin nie einfach waren, eskalierten immer öfter. Da ist zum einen die Essenssituation. Mir ist ein ruhiges, entspannendes, gemeinsames Essen enorm wichtig. In meinem Elternhaus waren das wochenendliche Frühstück und das tägliche Abendbrot die wenigen Momente, in denen wir alle zusammen sitzen und reden konnten. Wenn mein Bruder und ich bei meinen Eltern zu Besuch sind, sitzen wir heute noch mitunter bis 12 am gedeckten Frühstückstisch. Umso ärgerlicher für mich, dass es das kleene Froillein regelmäßig schafft(e), meine heilige Zeit zu entweihen. Sie steht immer wieder vom Platz auf, rennt um den Tisch rum, kriecht darunter, ärgert ihren Bruder. Dabei ist sie extrem laut. Irgendwann, wenn sie noch nicht genug Aufmerksamkeit bekommt, sucht sie nach einem „Haar in der Suppe“. Das kann eine eingerissene Wurstscheibe sein, die sie zum explodieren bringt oder einfach nur die Tatsache, dass sie in die Kita muss oder nicht in die Kita muss. Dann jammert sie sich in Rage.

Genauso ätzend war/ist die Schlafenssituation. Mein Mann schaffte es irgendwann nicht mehr, sie zum Einschlafen zu bringen. Nicht immer, aber immer öfter. Um neun stand Madame dann wieder auf der Matte und verfolgte mit großen Augen unser nicht immer gewaltfreies Fernsehprogramm. Keine Chance, sie, ohne neben ihr liegen zu bleiben, zum Einschlafen zu bringen.

Dazu kamen die üblichen Ausraster zwischendurch, wenn ein Bild (ihrer Meinung nach) missraten war oder die Freundin doch keine Zeit zum Spielen hatte. Frustrationstoleranz also gleich null.

Dann fiel mir auf, dass sie hin und wieder nach Schweiß riecht. Da musste ich dann recherchieren, weil ich schon befürchtete, bald eine pickelige, behaarte, motzende Sechsjährige zu Hause sitzen zu haben. Tatsächlich machen Kinder in dem Alter einen Entwicklungsschub durch, der sich Präpubertät nennt. Die Verhaltensauffälligkeiten und auch körperliche Veränderungen, wie vorübergehender Schweißgeruch, sind also völlig normal. Dennoch war es ein ätzendes Jahr.

Seit meine Mutter ins Krankenhaus musste, ist das kleene Froillein reifer geworden. Sie versucht sich nun ganz aktiv mehr im Griff zu haben. Ganz bewusst sagt sie, sie würde jetzt erst einmal durchatmen, bevor sie schreit und weint. Mit Enttäuschungen umzugehen, wenn z.Bsp. die Freundin doch nicht zum Spielen kommt, fällt ihr immernoch schwer.

Was die Essenssituation betrifft, versuchen wir, gelassener zu sein. Morgens trinkt sie eben nur einen Kakao, mehr geht nicht und wenn sie damit fertig ist, kann sie Wochentags aufstehen und spielen und am Wochenende Fernsehen. Zum Abendbrot muss sie eine halbe Scheibe Brot essen und nicht mehr als zwei oder drei Scheiben Wurst. Im Kindergarten isst sie wohl derzeit sehr gerne mit. Zu Hause ist sie mit dem Mittagessen nicht immer zufrieden. Extrawürste gibt es dennoch nicht. Wir machen ohnehin oft kinderfreundliches Essen, wie (selbstgemachte) Pizza, Nudeln oder Hühnersuppe.

Beim Schlafen sind wir noch nicht viel weiter gekommen. Aufgrund unserer derzeitigen Wohnsituation schlafe ich mit beiden Kindern in einem Raum. Das Froillein schläft mittlerweile wenigstens in einem eigenen Bett. Dadurch ist sie nachts viel ruhiger. Sie hält die Beine still und schreit fast gar nicht mehr auf. Alleine einschlafen ist jedoch immernoch nicht möglich. Schwierig ist auch, dass ihre neue Kita sogar mit den Vorschulkindern einen Mittagsschlaf macht. Obwohl ich den Eindruck habe, dass ihr das sehr gut bekommt und sie nachmittags ausgeglichener ist, bekomme ich sie dadurch nicht vor neun zum Einschlafen.

Das kleene Froillein ist nach wie vor ein extrovertiertes, aufgewecktes Kind. Morgens um sieben geht der Schnabel auf und erst beim Einschlafen wieder zu. Sie plappert und singt den ganzen Tag. Ich glaube, sie ist auch eine richtig tolle Freundin. Sie ist loyal und eine phantasievolle Spielgefährtin. Mit manchen Kindern, die lieber eintönig den ganzen Tag in der Nestschaukel abhängen passt das nicht zusammen. Wer aber auf ihrer Wellenlänge schwimmt, möchte immer wieder mit ihr spielen. Obwohl sie nicht unsportlich ist, macht ihr gezielte Bewegung keine Freude. Zum Radfahren muss ich sie fast schon zwingen. Das Kinderturnen haben wir nach mehrmaligen Anläufen vorerst aufgegeben. Alles, was mit Zwang einher geht, kommt bei ihr nicht gut an. Malen, Kneten, Kleben und Schneiden findet sie nach wie vor toll. Ich finde, sie kann auch deutlich besser malen, als ich diesem Alter. Um ein Musikinstrument zu lernen, ist die Frustrationsschwelle wohl noch zu nierig. Oder es muss einfach ein passender Lehrer her. Wie sicher bei allen Kindern, ist die Bezugsperson für sie enorm wichtig. Sie lässt sich von Menschen mitziehen. Wenn die Chemie jedoch nicht stimmt, fällt es ihr unheimlich schwer, aus sich heraus Motivation zu finden. Worüber sie mich im vergangen Jahr wirklich erstaunt hat, ist ihr Vermögen, Ordnung zu schaffen. Wenn sie will -aber nur dann- schafft sie es, aufzuräumen, wie eine Erwachsene.

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