Schreikind reloaded?

Drei Wochen ist der kleene Schlawiner nun alt und hat schon einige Abenteuer überstehen müssen. Die ersten zwei Wochen waren mit ihm wirklich relaxt. (Abgesehen von unserem Krankenhausaufenthalt wegen der Infektionsgeschichte.) Vergangenen Samstag hat sich meine Mom, die als Babysitterin für Number One und Haushaltshilfe angereist war, dann wieder in meine alte Heimat verabschiedet. Und da fingen bei mir plötzlich die Nerven an zu bröseln. Wahrscheinlich kennen das viele Frauen, diese Art Wochenbettblues. Abends wurde ich die ersten Wochen immer sentimental. Musste an die tolle Schwangerschaft denken, dass ich meinen Bauch vermisse und überhaupt die vergangenen schönen Momente nie mehr zurückkommen werden. Zumal das ja sehr wahrscheinlich die letzte Schwangerschaft gewesen sein wird. Und dann die Angst, dem Ganzen nicht gewachsen zu sein: Zwei Kinder, Haushalt, in einem Jahr wieder arbeiten und dann wäre man ja noch selbst, um den es sich zu kümmern gilt. Ja, irgendwie habe ich mich das vergangene Wochenende total matschig gefühlt. Allein, verlassen und zu allem Überfluss begann Missjö andere Töne als bisher anzuschlagen. Plötzlich war er wie ausgewechselt. Während er die ersten zwei Wochen in seinen Wachphasen friedlich die Umgebung gescannt und beobachtet hat, konnte man ihn nun keine Sekunde ablegen. Nur Geschrei oder Brust. Seine Schlafphasen waren maximal zwei Stunden lang. Natürlich auch Nachts. Da wurden bei mir gleich böse Erinnerung an mein Schreikind wach.

Am Sonntag ist es dann eskaliert. Ich war den ganzen Tag nur am heulen. Und der kleene Schlawiner auch. Sobald er die Augen öffnete, öffnete sich auch sein Mund. Ich merkte richtig, wie ich in diese Schockstarre verfiel, die ich auch bei meiner Tochter gespürt habe. Meine ganzer Oberkörper verkrampfte, ich konnte kein Wort mehr an mein Baby richten und mein Gesicht schlief förmlich ein. Noch mal ein Schreikind? Das würde ich nicht aushalten, sagte ich zu meinem Mann. Auf Ursachensuche wickelte ich ihn aus und wollte es mit Bauchmassage versuchen. Mittlerweile war sein Schreien schon fast panisch, grell und sein Gesicht schmerzverzerrt, wie ich fand. Als er nackig vor mir lag, gab´s keinen Zweifel mehr. Der arme Kerl hatte einen Leistenbruch. Rechts quoll eine feste Beule aus seiner Leiste vor. Das kam mir doch irgendwie bekannt vor. Im Beitrag Wutbeulen haben wir so ein Phänomen bei unserer Tochter beobachtet. Aus Erfahrung wird man schlau und so haben wir diesmal sofort das handy gezückt und ein Video davon gemacht (auf dem Foto war es nicht gut genug zu erkennen). Denn bei unserer Tochter glaubte uns damals niemand, weil die Beule verschwunden war, als wir in der Notfallambulanz ankamen. Zumal bei Mädchen solche Leistenbrüche ohnehin seltener sind.

Auch diesmal war der Bruch nicht mehr sichtbar, als wir in Freiburg im St. Josephs KKH ankamen. Missjö hatte sich nach Beruhigungsstillen und einer Fahrt im Maxi Cosie wunderbar beruhigt. Die Ärztin bestätigte nach Sichtung des Videos und Tastbefund unseren Verdacht und empfahl uns, das weitere Vorgehen am Montag mit dem Kinderarzt zu besprechen. Gegen 22 Uhr waren wir wieder zu Hause und der kleene Schlawiner schlief bis drei oder vier in seinem Autositz. Am nächsten Tag war er wieder der Alte. Gechillt und ausgeglichen. Und wir machten uns auf unsere Leistenbruch-TippelTappelTour an deren Ende wir im Uniklinikum landeten. Wir bekamen gleich für den nächsten Tag einen OP-Termin und ich nahm ihn an, weil ich es einfach nur hinter mich bringen wollte. Theoretisch hätte man auch noch eine Woche warten können, da der Bruch „reponiert“ war (sich also von allein zurückgebildet hatte.)

Also wieder drei Tage stationär. Wieder venösen Zugang legen mit Dauerversorgung, damit sich der Zugang nicht verschließt. Wieder geweckt werden von übereifrigen Schwestern, die unnötige Dinge messen wollen. Dazu Wände aus Papier, die offensichtlich nur dem Sichtschutz dienen. Wickeln auf dem Bett, da keine Wickelkommode im Zimmer. Rückenfreundlich sieht anders aus.

Der Brüller -im wahrsten Sinne- kam dann am Tag der OP. Der Kleene sollte vier Stunden nüchtern bleiben. Da die OP für 12 Uhr angesetzt war, hätte ich ihn also bis 8 Uhr morgens stillen dürfen. Die Glukose- und Flüssigkeitsversorgung läuft dann parenteral. Vier Stunden kein Trost und Essen durch Mamas Brust…das ist schon Horror. Aber es kam noch besser. Ich wollte ihn halb acht zum letzten Mal stillen, als eine Schwester reinkam und meinte, die OP würde um eine halbe Stunde vorgezogen werden. Deshalb dürfte ich ihn nun nicht mehr anlegen. Damit meine Brüste in der Zeit nicht explodieren, hatte ich um eine Pumpe gebeten. Gegen 11 wurden wir dann nervös und warteten auf den Krankentransport, der uns zum OP-Gebäude bringen sollte. Aber keiner kam. Es war schon schwierig den Kleenen solang bei Laune zu halten. Er schlug sich dank Singen und Tanzen recht tapfer und schlief zwischenzeitlich ein. Eine Milchpumpe bekam ich auch nicht, weil wohl die Nachbarstation keine rausrücken wollte. Gegen 12 Uhr kam dann ein Fahrdienst. Gegen kurz vor halb eins waren wir im OP und wurden im Aufwachraum Zwischengeparkt. Und aufgewacht sind dann auch alle. Unsanft geweckt von unserem verzweifelt schreienden Sohn, den man erst gegen halb zwei zu seiner OP holte. Er durfte um sechs das letzte Mal an die Brust. Gut, dass wir in Deutschland nicht bewaffnet und einigermaßen zivilisiert sind. Es hätte sonst Tote gegeben! Die OP verlief problemlos und dauerte ca. eine Stunde. So eine Leistenbruch-OP bei Säuglingen ist angeblich der häufigste Eingriff. Schlussendlich wird ein Schnitt gemacht und die überflüssige Öffnung im Bauchfell vernäht. Zustande kommt das Ganze durch das Durchwandern der Hoden von den Nieren in den Hodensack. Dieser „Kanal“ sollte sich eigentlich verschließen. Bei vielen Neugeborenen ist das jedoch nicht geschehen.

So richtig explodiert bin ich allerdings erst, als ich wieder auf Station war. Mein Mittagessen war verschwunden und die Tür zu meinem Bad war verschlossen, weil das Nachbarzimmer, mit dem ich mir das Bad noch am Morgen teilte, wegen unklarer Bauchbeschwerden „isoliert“ wurde. Als ich frühs zur Toilette ging, hatte die Mutter von nebenan, die über Nacht gekommen war, ihr Handtuch noch kontaktnah neben meins gehangen…..igitt…ich freute mich schon auf den nächsten Noro-Infekt….

Nach einer unauffälligen Nacht mit Dauerüberwachung, aber ohne Atemaussetzern u.ä. durften wir zum Glück nach Hause. Der Kleene hatte vorgestern und gestern auch wieder eine schwierige Phase mit viel Gebrüll. Heute ist er wieder eher verpennt und ich bilde mir ein, er hat mich sogar angelächelt. Ich versuche jetzt gelassener zu bleiben, wenn er solche Phasen hat und nicht gleich Schreikind Nummer 2 an die Wand zu malen.

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