Einfach mal die Kresse falten

Meine Freundin hatte mich bereits vorgewarnt. Sie sagte einmal, wenn du ein Kind hast, wirst du dich vor unerbetenen Ratschläge nicht mehr retten können. Und tatsächlich von Beginn an, als ich mich das erste Mal mit meiner Tochter auf öffentliches Terrain wagte, wurde ich von Wildfremden mit Bemerkungen bezüglich meiner Mutterschaft bombardiert. Teilweise subtil, indem sich Omis in der Innenstadt besorgt nach meinem Kinderwagen mit Sirene umsahen und kopfschüttelnd ihre Erklärung für das brüllende Kind vor sich hin brabbelten. „Na, die hat doch Hunger“. Andere gehen ihrer aufklärerischen Mission ganz offensichtlich nach und sprechen einen Geradeaus auf das elterliche Versagen an. Natürlich immer mit den besten Absichten! So bin ich bereits in der Straßenbahn von einer schleußiger (=Leipziger Stadtteil mit starkem Bionaden-Biedermeier-Charakter) Übermutter auf mein armes gequältes Kind im Tragetuch angesprochen worden, dessen Beine sich offensichtlich nicht in idealer Spreiz-Anhock-Stellung befanden. Sie -natürlich selbst überzeugte Tragetuchträgerin- wollte nur das Beste. Nicht für mich. Nein, für mein Kind. Ich bedankte mich leider freundlich für die kostenlose Trageberatung, anstatt ihr ins Gesicht zu spucken. Und wäre am liebsten Im Boden versunken. Mein geliebtes Kind, für das ich ebenfalls immer nur das Beste will, hatte nämlich bis vor kurzem die unschöne Angewohnheit, sich bei jeder Unpässlichkeit durchzudrücken wie eine überreife Banane. Und sie war in ihrem bisherigen Leben sehr oft unpässlich. So auch im Tragetuch. Also habe ich sie jedes Mal, wenn sie sich im Tragetuch gewunden hat wie ein Wurm, zurück in eine super hüftschonende Spreiz-Anhock-Stellung korrigiert. Denn ich möchte ja eine Super-Mama sein und gebe mein Bestes,  wirklich immer alles richtig zu machen, liebe durch die Welt streifende Rächer der hüftdisplasiegeschädigten Kinder! Und ja, ich habe damals versagt. Denn anstatt mein Kind, als es endlich im Tragetuch Ruhe gab, in die korrekte Position zu bringen, habe ich mich in der Straßenbahn an einer Stange festgehalten. ES! TUT! MIR! LEID!

Ich dachte dieses einschneidende Erlebnis sei bereits verarbeitet, bis mir heute etwas ähnliches widerfahren ist und all die verdrängten Hass- und Schuldgefühle wieder hochkochen. Andere Stadt, andere Situation, gleiche Unverfrorenheit. Ich laufe mit meinem schlafenden Kind in der Manduca zum Mütterzentrum. Plötzlich taucht ein ungepflegter Bartträger, Typ Körnerfresser, neben mir auf und fragt, ob ich ein Tragetuch habe. Ich verneine und sage, dass ich mein Baby gerade in einer Manduca trage. Die Besorgnis weicht für einen kurzen Moment aus seinem Gesicht. Erleichtert gibt er zu, dass er glaubte, ich würde mein Kind einfach SO (!) durch die Gegend tragen. Das wäre nämlich echt schlecht…Dann runzelt er wieder die Stirn und merkt an, dass es nichts besseres gibt als ein Tragetuch für so ein kleines (!) Baby. Für die Trage sei sie noch zu klein. Und wieder spucke ich ihm nicht ins Gesicht, sondern erkläre nüchtern, dass mein Kind fast sieben Monate alt ist und Kleidergröße 68 trägt.

What the Fuck? Was ist eigentlich mit manchen Leuten da draußen los? Wir leben im 21. Jahrhundert. Die Alphabetisierungsrate in Deutschland liegt bei über 95%. In 85% aller Haushalte wird das Internet zur Informationssuche genutzt. Warum erdreisten sich also ständig irgendwelche Besserwisser, wildfremden Menschen ungebetene Trage-, Still-, Ernährungs-, Säuglingspflege- oder sonst irgendeine -Beratung zu geben??? Selbst wenn mir jemand mit einem nach vorn blickenden, Baumelbein-Baby entgegen kommt, werd ich mich doch nicht anmaßen, den großen Contra-Katalog auszupacken. Ganz gleich, ob ich mein Kind im Kinderwagen, Tragetuch oder Hundeschlitten transportiere, es in Jutelappen wickel oder Polyester, es mit fünf Monaten oder fünf Jahren in den Kindergarten bringe, Mama wird sich schon ausreichend einen Kopf darum gemacht haben. Denn, auch wenn man es bei unseren gepeinigten Kindern kaum glauben mag, wir wollen wirklich nur das Beste!

2 thoughts on “Einfach mal die Kresse falten”

  1. Ja, immer wieder erstaunlich. Das mit den Ratschlägen fing bei mir allerdings in der Schwangerschaft an („Mach Yoga, da kommst du deinem Baby noch näher!“ „Mein Baby tritt mich beim Yoga immer…“). Uns haben wildfremde Leute gefragt ob das ARME Kind im Tuch/der Trage denn noch Luft bekommt!!! Bitte? Ja nee, tut es nicht, gut dass Sie es sagen. Ohne Worte.

  2. Na, du hast ja eine wirklich lustige Art, deine Ss zu dokumentieren..Nachts Ho2 Mangel & teils bekomm ich die,Beine nicht ruhig..weil ja der Magnesium Stoffwechsel anders verwertet wird, nervt!
    & Schwindel..gibts gratis bei mir auch dazu..hatte gestern meine erste EmbryoTV…NUR eine gaaaanz leichte Hülle zu sehen..Müdigkeit nimmt aber nun auch nicht wirklich ab..

    Viel Erfolg..
    Heute, an dem Tag du den Blog hier schriebst, habbich grad meine Krümelblastos zurück bekommen..

    Vlg & Glück Glück Glück

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert