Die ersten zwölf Wochen Schwangerschaft sind geschafft und eigentlich könnte ich dem Thema schwangerschaftsbedingte Übelkeit die kalte Schulter zeigen. Dennoch hat mich eine Forendiskussion dazu gebracht, mich der Studienlage zu diesem üblen Leiden zu widmen. Nicht zuletzt, weil mein Zugang zu wissenschaftlicher Literatur in Bälde der Vergangenheit angehören wird. Im Forum fragte eine besorgte Schwangere, ob es denn stimmen würde, dass morgendliche Übelkeit eine stabile Schwangerschaft anzeigen würde. Besorgt war sie deshalb, weil es ihr einfach zu gut ging und sie fürchtete, bald einen Abort zu erleiden. Die Information hatte sie wohl aus dem sog. „Mami Buch“. Auch wenn der Titel des Buches irgendwie nach Hausfrauenweisheiten und Babystuhlorakel klingt, kam mir die Sache doch irgendwie bekannt vor. Tatsächlich haben sich im Jahr 2000 eine paar Wissenschaftler die Mühe gemacht einen Zusammenhang zwischen morgendlicher Übelkeit und Schutz des Embryonen herzustellen. Vielleicht taten sie das, um ihre schwangeren Frauen aufzumuntern, die sich die Seele aus dem Leib reiherten.
Immerhin leiden 80 % aller Schwangeren an morgendlicher Übelkeit, manche mit, manche ohne Erbrechen. Dabei trifft es die Bezeichnung „morgendlich“ ganz und gar nicht. Vielmehr sollte es Ganztagsübelkeit genannt werden. Lediglich während der Schlafenszeit lässt die Plage einen Großteil der Frauen in Ruhe. Die Spitze des Eisberges wird übrigens zwischen der 10. und 15. SSW erreicht. In dieser Zeit leiden die meisten Frauen unter Übelkeit. Danach dürften die meisten von ihnen aufatmen und ihr Leben wieder genießen. Vor allem Lebensmittel der Kategorie Fisch, Fleisch und Eier lassen schwangeren Frauen die Haare zu Berge stehen. Süßigkeiten -wer hätte das gedacht- werden hingegen nur selten ausgeschlagen, genauso wie Getreideprodukte, Gemüse und Früchte. Ebenso wie das meiden bitterer oder stark riechender Lebensmittel, verfolgen diese Aversionen das Ziel giftige oder bakterienverseuchte Lebensmittel zu verschmähen und somit Mutter und Embryo zu schonen. Auffällig ist ebenfalls, dass die Übelkeit im ersten Drittel der Schwangerschaft in der Regel am stärksten ausgeprägt ist. In dieser Zeit werden die Organe des Ungeborenen angelegt, weshalb Störungen durch Infektionen oder Toxine meist zum Abort führen. Anhand der Daten, die beide Wissenschaftler ausgewertet haben, wurde ein Zusammenhang zwischen Übelkeit und Abortrate ersichtlich. Demnach ist die Wahrscheinlich für Frauen, die mit der bloßen Übelkeit zu kämpfen haben, ein früher Abgang weitaus unwahrscheinlicher. Noch geringer ist sie für Frauen, die sich tatsächlich übergeben müssen. Dennoch müssen Frauen, denen es blendend geht, jetzt nicht in Panik verfallen. Über die „Stabilität“ einer Schwangerschaft kann anhand der Kotzbereitschaft keinerlei Aussage getroffen werden. Vielmehr sorgt ein empfindlicher Magen während des ersten Trimenons dafür, Nahrungsmittel zu essen, die weniger durch Bakterien, Pilze, Parasiten oder pflanzliche Giftstoffe belastet sind. Daher ist die Wahrscheinlichkeit eines Schadens, ausgelöst durch belastete Lebensmittel unwahrscheinlicher. Daneben bestünde laut dieses Papers kein Zusammenhang zwischen Schwangerschaftsübelkeit und einer späteren Totgeburt oder dem plötzlichen Kindstod.
Meine Übelkeit ist seit ein paar Wochen gänzlich verschwunden und meine Essgewohnheiten normalisieren sich so langsam. Nach einer Mandel-, Lakritz-, Mortadella und Cornflakesphase bin ich jetzt wieder auf dem einigermaßen normalen Level angekommen. Meiner Meinung nach, gibt es eine familiäre Häufung, was die Übelkeit betrifft. Unsere Frauen waren davon nie besonders schlimm betroffen. Vielleicht liegt es daran, dass wir von Kindesbeinen an im Dreck gewühlt haben und daher schon alle möglichen Infektionen durch hatten. Wer sich langweilt, könnte dazu ja mal ein wenig forschen.
Zum Nachlesen hier noch das Paper: S.M. Flaxman, P.W. Shermann 2000. Morning Sickness: A Mechanism for Protecting Mother and Embryo. The Quarterly Review of Biology 75:113-148