Diesen Beitrag wollte ich schon an Tag drei geschrieben haben. Leider läuft diese Episode nicht so reibungslos ab, wie ich es von den anderen zwei unverwüstlichen Kita-Kindern kenne. Gleich an Tag eins fiel mir auf, dass sich klein Ottilie viel vorsichtiger von mir weg bewegte, als ich das bisher von ihren Geschwistern kannte. Sie krabbelte zwar lustig im Raum herum und beobachtete gespannt das Tun der anderen, aber immer wieder suchte sie Zuflucht auf meinem Schoß. Am zweiten Tag zog ihr so ein 15 Kilo Junge gleich mal ein Spielzeug über den Kopf und sie trug eine Schramme am Auge davon. Sie heulte und der Tag war eigentlich gelaufen.
Durch diesen kleinen Zwischenfall keimten in mir erste Zweifel auf, ob diese Einrichtung der beste Ort für kleine Kinder ist. Oder ich muss mich einfach noch an die rustikalen Ostverhältnisse gewöhnen. Während in Freiburg im Frühdienst teilweise fünf Leute für 10 Kinder zur Verfügung standen, haben hier zwei Leute die Aufsicht über bis zu 12 Kinder. Derzeit sind in Ottiliens Gruppe neun Winzlinge, die alle um ein Jahr alt sind. Bis August wird die Gruppe bis zum Anschlag aufgefüllt sein. Ihre Bezugserzieherin ist wirklich lieb und bemüht, jedoch ist sie nur zwei Wochen länger in dieser Kita als unsere Tochter und war am Anfang noch entsprechend desorientiert. Sie hat in der ersten Woche während ich mit dabei gewesen bin, kaum Kontakt zu Ottilie aufnehmen können, weil sie ständig mit dem Geheule anderer Kinder beschäftigt war. Erschwerend kam hinzu, dass sie eine weitere Eingewöhnung betreuen musste, die nur eine Woche weiter gewesen ist, als wir. Und auch die anderen Kinder scheinen nicht wirklich gut in der Gruppe angekommen zu sein. Ein Kind weint eigentlich ununterbrochen. Eher leise und hintergründig, aber ausdauernd. Fast wie schlechte Fahrstuhlmusik.
Bei der ersten kurzen Trennung für einen gespielten Toilettengang an Tag drei, stimmte klein Ottilie in den Heulgesang mit ein. Laut und Vordergründig, eher wie mit dem Ohr direkt am Marshall-Frontspeaker eines Rockkonzerts. Tja, so sind sie meine Kinder: Ziemlich laut. Auch die folgenden Trennungen liefen nicht besser. Manchmal ließ sie sich rasch beruhigen, je nachdem wie müde sie gewesen ist. In Woche zwei dehnten wir die Länge der Trennungen aus. Am Donnerstag lag sie dann bäuchlings schlafend mitten im Gruppenraum. Und schluchzte im Schlaf. Sie hatte wohl pausenlos geweint und ließ sich kaum ablenken. Irgendwann ist sie dann erschöpft eingeschlafen. Als ich sie hochnahm war mir klar, dass die Kleine HeuleEule Fieber hatte und wohl deshalb unpässlich gewesen ist. Warum mich allerdings niemand nach einer halben Stunde angerufen hat, damit ich sie holen komme, verstehe ich nicht. Ich dachte immer, das wäre Sinn und Zweck einer solchen Eingewöhnung und an Zeit mangelt es uns ja nicht.
In die dritte Woche starteten wir ausgeruht und gut erholt. Und bis auf das morgendliche Weinen, was sich auch nicht zwischen Abgabe durch mich oder meinen Mann unterscheidet, läuft es ganz gut. Beim Abholen habe ich die vergangenen Tage ein aufgewecktes, fröhliches Krabbelbaby vorgefunden und zu schmecken scheint es ihr auch. Ja klein Ottilie isst wie ein Scheunendrescher. Darin steht sie den beiden Großen in nichts nach. Ich denke, sie tickt im Sozialverhalten im Prinzip auch kaum anders als ihre Geschwister. Sie liebt andere Kinder. Der Kopf schnellt rum, sobald sie eine Kinderstimme hört. Grinsende Kindergesichter werden mit glucksenden Lachen oder rausgestreckter Zunge quittiert. Der einzige Unterschied ist, dass sie ein Lockdown-Baby ist. Und das merke ich ihr an. Kein Babyschwimmen, keine Krabbelgruppe, kaum Besuch, keine Baby-Freundin. Woher soll sie wissen, dass die Mami vom Klo des Familienvereins wieder zurück kommt? Dass die Mami nicht verschwindet, wenn sie die Kaffeetassen vom Müttertreff wegräumt? Das sind alles Kleinigkeiten, aber ich denke, für die Entwicklung sehr wichtig. Und bereits nach der ersten Eingewöhnungswoche konnte ich ohne Geschrei und Gezeter Duschen gehen. Denn die Mami löst sich offensichtlich nicht hinter der Duschwand auf.
Ich bin gespannt, wie sie sich in den kommenden Wochen entwickeln und in ihrer Gruppe ankommen wird. Immerhin habe ich nun das Gefühl, trotz Fremdbetreuung wieder näher an meinen Kindern dran sein zu können. Es finden wieder Elternabende statt, klein Ottilie darf ich sogar bis in ihren Gruppenraum bringen und neulich waren wir sogar auf einem Herbstfest von Missjös Gruppe. Somit weiß ich endlich, mit welchen Kindern die Kleinen so den ganzen Tag rumhängen und welche Eltern dazu gehören. Vielleicht bekommen wir doch ein Stück der guten alten Zeit zurück 🙂