So, da simmer wieder. Zwei Wochen Sardinien-Urlaub liegen hinter uns. Wobei ich zu der Erkenntnis gelangt bin, dass eher vom „Wegsein mit Kind“ die Rede sein sollte, als von Urlaub. Mit dem Wort Urlaub verbinde ich langes Ausschlafen, lecker Essengehen, am Strand rumliegen und lesen, n bisschen Kirchengelatsche und Kultur fürs Gewissen und um Interesse an den Menschen und der Region zu heucheln. All das ist mit Kind -also mit unserem Kind, nicht möglich. Die erste Woche war der Horror. Das kleene Froillein weckte uns morgens gegen sechs (wohlgemerkt, sie geht prinzipiell nicht vor halb neun schlafen). Den kurzen Nächten war es dann auch geschuldet, dass sie im weiteren Tagesverlauf unausstehlich war. Sobald wir im Auto saßen, vielen ihr die Äuglein zu. Aber erst, nachdem sie sich ausgiebig erbrochen hatte. Denn wie wir feststellen mussten, verträgt sie das Autofahren sehr schlecht. Dumm, wenn man sein Ferienappartment auf 480 Meter über N.N. gebucht hat und der Strand und die Zivilisation nur über eine 16 minütige Serpentinenfahrt zu erreichen ist. Die kurze Fahrt reichte jedoch nie aus, um sich von der miesen Laune zu erholen. Also giggelte sie die erste halbe Stunde noch ein wenig, sobald wir jedoch ein Restaurant erreicht hatten, in dem wir uns zum Essen niederlassen wollten, forderte der Schlafmangel seinen Tribut. Weder mit Pizza, Pasta noch mit Fritten gelang es uns, sie zu besänftigen. Am schlimmsten Tag schrie sie nach dem Essen das ganze Einkaufsboulevard zusammen und hielt bis zur Unterkunft durch, wo sie dann schluchzend in unserem Bett einschlief. Solche Ausraster kommen nun scheinbar häufiger vor. Ein paar Tage später -wieder war Schlaf Mangelware- drehte sie am Strand ab, als wir ihr verboten haben, die Tasche auszuräumen. Mit Liebe und Verständnis war ihr nicht beizukommen. Der Versuch, sie im Arm zu halten, ließ das Kind nur noch mehr eskalieren. Sie hat sich gewunden wie ein Wurm, sich in den Sand fallen lassen, bis ihr Gesicht von einer Panade aus Sand und Rotz bedeckt war. Zu Hause ging das Theater dann weiter, als ich sie versuchte zum Mittagsschlaf hin zu legen. Also dachte ich mir, gut du bist jetzt fast ein Jahr alt. Vielleicht musst du jetzt lernen selbst ein bisschen runter zu kommen. Ich sagte ihr noch kurz, dass ich nun das Zimmer verlassen werde und ganz in der Nähe bin. Nach einem kurzen Moment war sie eingeschlafen. Nach über zwei Stunden (!!!) war das Froillein wie ausgewechselt. Die zweite Urlaubswoche gestaltete sich dann tatsächlich entspannter. Ich glaube wirklich, dass es Eltern einfach mal bis „hier“ stehen muss, damit Kinder sich weiterentwickeln können. Es ist ja nun viel und in meinen Augen genug über die sogenannte Ferber-Methode geredet worden. Meistens eher schlecht geredet worden. Tatsächlich habe ich jedoch den Anschein, dass Eltern irgendwann von selbst „Ferbern“, auch wenn sie es gar nicht beabsichtigt haben. Ich habe mich viel mit meinem Bruder, der bereits drei Kinder hat, über Froilleins Schlafprobleme unterhalten. Er erzählte mir von seinem Ältesten, wie er als zehn Monate altes Baby die Angewohnheit hatte, Nachts um vier aufzustehen und mit seinen Eltern spielen wollte. Die beiden waren gerade Mitte zwanzig und noch im Uni-Stress. Sie hatten mit ihm schon einiges durchgemacht. Auch er war ein Schreikind und Schlafverweigerer. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mit dem brüllenden Baby im Kinderwagen Spurrillen in die Feldwege gelatscht bin. Wir nannten ihn damals sogar, das Kind, das niemals lachte. Jedenfalls waren mein Bruder und seine Frau nach mehreren Wochen ohne ausreichend Schlaf derart fertig, dass sie eines Nachts einfach so tief geschlafen haben, dass sie meinen Neffen nicht gehört haben. Von da an wurde vieles leichter. Als er musste, hat er es geschafft sich selbst zu beruhigen und zurück in den Schlaf gefunden, den er ja eigentlich dringend brauchte.
Am vergangenen Freitag ist das kleene Froillein also ein Jahr alt geworden. Für mich war das wirklich ein sentimentales Ereignis. Und ich bin mir nicht sicher, ob das Jahr nun schnell oder langsam vergangen ist. Das erste halbe Jahr zog sich jedenfalls wie ein Backcamembert. Traurig bin ich darüber, dass ich das Gefühl habe, es hätte kaum schöne Momente gegeben. Gerade die ersten Wochen nach der Geburt gab es in meiner Wahrnehmung keine Situation, in der ich glücklich gewesen bin. Auch das Stillen habe ich nicht in positiver Erinnerung behalten. Mittlerweile kann ich mir wenigstens hin und wieder vorstellen, ein weiteres Kind zu bekommen. Für KiWu-Frauen ist das jedoch ein Thema, dass ebenfalls alte Wunden aufreißt. Also lassen wir es mit den Vorstellungen über der Zukunft und dem Hadern mit der Vergangenheit und widmen uns den aktuellen Themen: Die Fortschritte, die das kleine Menschlein in den letzten Wochen so gemacht hat. Laufen -und da bin ich ehrlich gesagt ein wenig enttäuscht, kann sie noch nicht. Obwohl sie ja recht früh gekrabbelt ist und sich seitdem an Möbeln hoch zieht, scheint sie für die freie Vertikale noch nicht genug Stabilität zu besitzen. Da ihr das Sitzen auf dem Po überhaupt nicht zusagt und sie alles, wofür sie freie Hände braucht, auf den Knien hockend erledigt, wird der Rücken nicht gut gestärkt. Ich bin kein Orthopäde, aber wenn ich es selbst ausprobiere, dann brauch ich für das Sitzen auf dem Po mit geraden Rücken mehr Muskelkraft im Oberkörper. Dafür hat sie im „Urlaub“, als sie den steinigen, mediterranen Boden überwinden musste, den Bärengang entdeckt. Auf den Knien zu krabbeln war ihr wohl zu pieksig. Die Motorik scheint derzeit also ebenso wie die rechte untere Zahnleiste einen Gang zurück zu schalten. Wahrscheinlich braucht ihr Sprachzentrum derzeit alle neuronale Aufmerksamkeit, denn mittlerweile plappert das Kind wie ein Wasserfall. Es klingt zwar wie Klingonisch mit Heliumakzent, aber die Intonation -vor allem Befehle und Fragen- beherrscht sie außerordentlich gut.