Vor ein paar Monaten schrieb ich noch einen wütenden Beitrag über all die überflüssigen Fragen und ihre Steller. Mittlerweile hat sich eine Art Co-Evolution vollzogen. Nun habe ich mich – nicht immer, aber immer öfter- damit abgefunden, dass beim Zeugungsprozess unserer Nachkommen mehr Personen als von der Natur vorgesehen anwesend sein werden. Nach 2 Jahren und 6 Monaten ungeschützten Verkehrs gilt unsere Partnerschaft als steril und mit der Gewissheit ohne ärztliche Hilfe niemals Kinder haben zu können, ist auch eine neue Gelassenheit in mein Leben eingezogen. Seit dem ich mich in mein Schicksal füge, ist auch mein Beziehungsohr weniger störanfällig für Fragen zu Nachwuchsplänen (…immer öfter). Irgendwie sage ich mir, wenn ich mich damit abfinden und auseinandersetzen kann, dann können die (Fragenden) das auch!
Ich gehöre zu den Menschen die ihr Herz auf der Zunge tragen. Meine Launen trage ich vor mir her, wie eine neonfarbene Sicherheitsweste mit Weihnachtsbaumbeleuchtung. Und seit dem wir erfolglos an der Neukombination unseres Erbguts arbeiten, trage ich nun auch meinen Uterus auf der Zunge. Wenn mich jemand nach unserer Familienplanung fragt, dann kann und will ich einfach nicht schwindeln, Karrierepläne herbeiflunkern oder mir ein wildes Partyleben andichten. Nein, ich sage einfach wie es ist. Das kann dann je nach emotionaler Nähe zum Fragenden kurz und knapp oder detaillierter ausfallen. Und bisher bin ich damit ganz gut gefahren. Zurückhaltung war ohnehin nie meine Stärke, weshalb ich nicht davor zurückschrecke, die „Fahrt-doch-mal-in-den-Urlaub-Fraktion“ beherzt in die Schranken zu weisen. Bisher habe ich allerdings von den meisten anstelle der Ratschlag-Keule viel Verständnis erfahren und vor allem Offenbarung! Auch wenn kaum einer meiner Freunde selbst von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen ist, beginnen sie von anderen zu erzählen, denen es ähnlich geht oder ging. Dadurch wird mir einerseits immer wieder bewusst, dass wir tatsächlich nicht die einzigen sind, denen der liebe Gott einen Haufen Scheiße in den Schicksalssack gesteckt hat und andererseits lerne ich die Einstellung, Ängste und Erwartungen meiner Freunde zum Thema Kinderkriegen kennen. Und ich stelle fest, es gibt kaum jemanden, der sich mit Mitte Zwanzig nicht mit dem Gedanken an und über eigene Kinder auseinander gesetzt hat. Außerdem sehe ich mich in gewisser Weise auch als Aufklärerin. Nach wie vor ist der unerfüllte Kinderwunsch ein Tabuthema, woran wir Betroffenen nicht ganz unschuldig sind. Anstatt mit Vorurteilen aufzuräumen, aalen wir uns in Selbstmitleid und sehen mit neidvollen Blicken auf die wie Unkraut sprießenden Babybäuche in unserer Umgebung. Natürlich erinnert mich jede neue Schwangerschaft an meine eigenen ungestillten Sehnsüchte und klar, es lässt sich nicht vermeiden, die Neidforke im Herzen Pieksen zu spüren. Doch mal ganz im Ernst: Nimmt die Wahrscheinlichkeit für mich ab, schwanger zu werden, wenn es andere Frauen sind? Ganz sicher nicht! Der Klapperstorch wirft keine 348 Babys pro Jahr übern Kiez ab! Also mache ich den Mund auf, wenn meine Kollegen ihre abstrusen Vorstellungen über Adoption von sich geben! Also erzähle ich von der finanziellen Belastung und den gesundheitlichen Risiken, die eine künstliche Befruchtung mit sich bringt, wenn jemand der Meinung ist, heutzutage wäre doch alles möglich! Und wenn mein Reden bewirkt, dass die Unwissenden einmal weniger ihr ignorantes Halbwissen hinaus posaunen, dann hat sich der janze Uffwand ja schon jelohnt!