Unter Saunagängern und Schwimmbadbesuchern, die mit offenen Augen durch die Fliesenlandschaft spazieren, ist es keine Neuigkeit mehr: Die Anzahl derer, die ungeniert zu ihren wolligen Wildwuchs stehen, hat in den letzten Jahren rapide abgenommen. Wo einst schwarze, braune, rote oder blonde Haare sprießten, herrscht nun ein immenses Ausmaß der Desertifikation. Im besten Falle tummeln sich auf den kahlen Hoch- und Tiefebenen gelbe und rote Eiterpickelchen. Trotz Verlandung einst bedeckter Regionen ist diesmal nicht die Klimaänderung Schuld am Aussterben der bereitwillig behaarten Spezies. Doch warum schneiden, zerren und ziehen junge wie alte Frauen an jedem Körperhaar herum, das es nicht bis auf die terminale Spitze geschafft hat? Die Entfernung und das Stutzen der Körperhaare ist eine Jahrhunderte alte Tradition…allerdings nur einer bestimmten Personengruppe. Während sich die Haremsdamen aus dem Orient geschickt mit einer zähen Masse aus Zucker und Zitronensaft glätteten, waren die Wikinger-Frauen aus Europa wahrscheinlich noch dabei ihre bärtigen Männer und Pferde zu zähmen. Es ist kein Wunder, dass Schambehaarung von Huren und Prostituierten zum echten Problem werden konnte. Für Filzläuse boten sie einen idealen Spielplatz. Daneben kann ich mir gut vorstellen, dass ein unverhangener Blick auf die primären Geschlechtsorgane dem Freier eine gewisse Sicherheit gab, sich nicht mit Syphilis, deren Hauptmerkmal die gummenartigen Geschwulste im Intimbereich sind, zu infizieren. Damit sind die Argumente aus hygienischer Hinsicht pro Kahlschlag jedoch in meinen Augen erschöpft. Wer sich rasiert, egal wo, der trägt in erster Linie eine Menge Bakterien in die geöffneten Hautschichten hinein. Von da aus Feiern die kleinen Gesellen ein fette Party zu der wir nicht eingeladen sind, deren Ausmaß wir aber von außen als Rasurbrand bestaunen dürfen. In sofern bestehen für mich auch keine ästhetischen Gründe, sich die schmusige Persermieze in eine garstige Sphinx-Katze zu verwandeln. Die Kosmetikindustrie dürfte das anders sehen und das vermitteln sie uns schließlich auch pausenlos. Dabei funktioniert deren Marketingstrategie nach der althergebrachten Art und Weise: Zuerst muss dem Kunden eingeredet werden, er bräuchte etwas. Es wird also ein Zustand kreiert, der der Normalität entsprechen soll, diesen zu erreichen aber faktisch unmöglich ist. Um Normalität des Unnormalen zu suggerieren, werden unsere Sinne nach allen Regeln der Kunst hinters Licht geführt. Viel hilft viel. Eine kleine, aber beachtliche Hilfestellung beim Waschen des Kundengehirns kommt von einem Industriezweig, der mit Rasieren und Analbleaching soviel zu tun hat, wie Möllemann mit Fallschirmspringen. Besonders tiefe Spuren hinterlassen Eindrücke, wenn sie mit Emotionen verbunden sind. Betont emotional geht es bei Pornos zu. Nicht für die Darsteller, sondern für den, der es schaut. Wir werden auf kahle Geschlechtsteile konditioniert, indem wir ihren Trägern besonders viel und „guten“ Sex zuschreiben. Ein bisschen porno wollen sie deshalb alle sein: Die Designer, die Schauspieler, die Models. Und deshalb werden wir pausenlos mit Nacktmullen konfrontiert, bis wir eines Tages morgens aufwachen und beim Gang unter die Dusche erschrocken an uns herab schauen und feststellen, dass wir keiner sind. Wir sind kein Nacktmull, wären aber gerne einer! Zum Glück liegt die Lösung unseres Problems bereits im Supermarktregal. Überglücklich schäumen und frisieren wir uns zu Hause bis der Ausguss verstopft. Für die folgenden und bereits angesprochenen Schwierigkeiten, die dem Rasieren folgen, liegt in der Drogerie auch schon ein Produkt bereit….oder zwei oder drei. So ist das Rasieren der Beginn einer wunderbaren Profitgeschichte für die chemische Industrie, die Pharmaindustrie, die mittelständischen Unternehmen, die als Gegenentwurf zum Rasieren in heimeligen Studios das qualvolle Wachsen anbieten. Und selbst die Schönheitschirurgie freut sich über die derzeitige Entwicklung. Denn wo früher die Unzulänglichkeiten der primären Geschlechtsorgane unter einer flauschigen Wolldecke verborgen lagen, stehlen sich nun lange Schamlippen ans Tageslicht, als wollten sie unserer Eitelkeit die Zunge herausstrecken.
Wie bei Arschgeweih und Tribal-Tattoo, wird es sich auch bei diesem Trend verhalten: Er wird eines Tages von der Bildfläche verschwinden. Schließlich wurden nun auch schon die Katzenberger-Brauen von buschigen, schwarzen Balken abgelöst. Warum sollte es sich einige Etagen weiter unten anders verhalten? Und dann können all jene im Alf-Slip triumphierend lachen, wenn den anderen im Schwimmbad das Schamhaartoupet davon schwimmt.
In diesem Sinne, let it grow!
Oh. Mein. Gott. Ich möchte dich heiraten.