Abschaffung der Hebammenhilfe

Eigentlich hatte ich vor, mich schon einige Tage früher zu diesem Thema zu äußern. Da wir aber nun immernoch ohne DSL-Anschluss in der neuen Wohnung sitzen, muss das Bloggen warten, bis ich mit dem Laptop unterm Arm in eine vernetzte Umgebung gereist bin.

In der vergangenen Woche wurde wieder vermehrt über das Thema Berufshaftpflicht für Hebammen in den hiesigen Medien berichtet. Wie nun hinlänglich bekannt sein müsste, dürfen Hebammen nur dann ihrer Arbeit nachgehen, wenn sie für Schadensfälle abgesichert sind. Nun sind in den vergangenen Jahren die Beiträge derartige gestiegen, dass freiberufliche Hebammen vor dem existentiellen Aus stehen. Viele Schwangere dürften die Auswirkungen bereits gespürt haben: Ein Geburtshaus nach dem anderen macht die Schotten dicht, Beleghebammen in kleineren Krankenhäusern werden abgeschafft, eine Hebamme zu finden, die Hausgeburten betreut, ist beinahe unmöglich. Wenn es so weiter geht, dann wird die Geburtshilfe immer mehr zentralisiert, da sich nur noch große Kliniken Geburtshilfe leisten können. Für Frauen, die auf dem Land leben, fallen Fahrtwege von 100 km oder mehr an, was einer Drittgebärenden sicher den Schweiß auf die Stirn treten lässt. Besonders wütend machen mich allerdings die unqualifizierten Kommentare, mancher Leser, die ihrem verschrobenen Weltbild Ausdruck verleihen:

„…hat irgendein Mensch einfach einmal nachgedacht WARUM die Prämien so irre hoch sind? Weil es eben bei Hebammenhausgeburten schlicht häufiger zu schweren Geburtsfehlern kommt…“ (Zitat von Kommentator robeuten)

„Es ist mir unverständlich, warum Frauen bei einer Geburt nicht dorthin gehen, wo eine ärztliche Betreuung gewährleistet ist. Bei derartigen Dingen geht man in ein Krankenhaus…“ (Zitat von Kommentator SPONaqua)

Daneben ist von Luxusdienstleistung die Rede, Esoterik und Räucherstäbchen. Offensichtlich besteht hier einiges an Klärungsbedarf, was das Tätigkeitsfeld einer Hebamme eigentlich umfasst.

Tatsächlich ist die Arbeit der Hebammen in Deutschland mit einem eigenen Gesetz geregelt, dem „Hebammengesetz“. Dieses sagt uns, dass „Die Ärztin oder der Arzt verpflichtet sind, dafür Sorge zu tragen, dass bei einer Entbindung eine Hebamme oder ein Entbindungspfleger zugezogen wird.“ (Heb-G §4 Abs.1). Ein ärztliche Versorgung ist also im Falle einer normalen Geburt überhaupt nicht notwendig und laut Gesetz auch nicht vorgesehen. Vielmehr unterliegen Ärzte der Pflicht, eine Hebamme bei der Geburtshilfe hinzuziehen. Zu dieser Geburtshilfe zählt die Überwachung und Betreuung der Gebärenden von Beginn der Wehen an, während des Geburtsvorganges bis zum Ende des Wochenbettes. Die Ausbildung zur Hebamme wird übrigens auch nicht an einem Wochenende runtergebrochen, sondern umfasst drei Jahre, in denen die Azubis relevante Arbeitsbereiche durchlaufen. Dabei spielt die Arbeit im Geburtshaus und bei freiberuflichen Hebammen eine eher untergeordnete Rolle (es sind gerade einmal vier Wochen). Viel mehr Zeit müssen angehende Hebammen auf der Wochenbettstation und im Kreißsaal verbringen und dort auch eine gewisse Anzahl an Risikoschwangerschaften mit patholgischen Verläufen betreuen. Daneben gilt es, sich in den Schulwochen, die man also fernab vom 8-Stunden-Krankenhausalltag verbringt, theoretischen Stoff über Anatomie, Physiologie, Pflege, Kinderheilkunde, Arzneimittellehre usw. einzutrichtern, bis man jeden einzelnen Beckenbodenmuskel, jeden Schädelknochen, jedes Nebennierenhormon im Schlaf nach einem 10-Tagesschichtdient-Marathon herbeten kann. Abgeschlossen wird die Ausbildung dann mit einem Staatsexamen, in dem Theorie und Praxis geprüft werden. Ja, ich muss zugeben, ab und an wurde uns auch etwas über Kräuterheilkunde gelehrt und ich habe viele Hebammen kennengelernt, die Moxibustion, Akupunktur und Aromatherapie eingesetzt haben. Dass dadurch jedoch eine Mutter oder ein Kind zu Schaden gekommen wäre, ist mir in meiner Ausbildungszeit nicht untergekommen. Dafür habe ich erlebt, wie ein Arzt, der sich in der sogenannten „äußeren Wendung“ von Beckenendlagen üben wollte, einer Frau nach der anderen einen Notkaiserschnitt beschert hat. Ich weiß nicht, ob er es mittlerweile kann… Eine Hebamme versucht es stattdessen mit Akupunktur und „Moxen“ mit dem Resultat, dass es entweder funktioniert und die Frau spontan ein Kind in Schädellage entbinden kann oder sich das Kind einen Dreck um den gemoxten Zeh schert und in aller Ruhe per geplanten Kaiserschnitt geholt wird.

Auch habe ich erlebt, wie ein Kind per Ultraschall von einer unerfahrenen Ärztin falsch vermessen wurde und dann im Becken fest steckte. Damals habe ich mich gefragt, ob das einer Hebamme passiert wäre, die ihre Hände statt eines Gerätes benutzt und dabei Größe und Umfang der kindlichen Teile tastend abschätzt. Hätte die sich auch um 1000 Gramm vertan?

Abgesehen davon, dass die Versicherungsprämien für Hebammen nicht etwa deshalb in exorbitante Höhen klettern, weil es häufiger zur Fehlern kommt – tatsächlich sind Schadensfälle leicht rückläufig. In Wirklichkeit haben wir es dem medizinischen Fortschritt zu verdanken, dass die Lebenserwartung geschädigter Kinder stetig steigt und  damit eben auch höhere Kosten verbunden sind.

Keine Frage, es werden immer dort Fehler passieren, wo Menschen sehr schnell, sehr weitreichende Entscheidungen treffen müssen. Dennoch ist eine Niederkunft im Krankenhaus unter ärztlicher Überwachung kein Garant für eine „unfallfreie Geburt“. Auch oder gerade dort lauern systemimmanente Fehlerquellen, wie zum Beispiel störanfällige Kommunikationsketten. Und auch die Keimbelastung darf nicht vergessen werden. Das Runterreißen der Hebammenarbeit auf „esoterische Kuschelgeburten“ und „Luxusdienstleistung“ im Räucherstäbchendunst kommt in meinen Augen einer Hexenjagd gleich, wie sie bereits im Mittelalter stattgefunden hat. Schwangerenvorsorge, Geburtshilfe und Nachsorge gehören seit jeher in Hebammenhand und das sollten wir uns bewahren und uns dafür einsetzen.

Zum Thema belesen kann man sich hier:

http://www.hebammenfuerdeutschland.de/hintergrundwissen

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